Geschichten

Bobby-Luisa ist verwirrt

Fobby wacht auf. Er hat richtig gut geschlafen und es ging ihm gut. Es tat nichts weh, sein Kopf war frisch und er freute sich auf den Tag. Was war nur in der Nacht gewesen? Die Nächte davor waren mies gewesen, häufig wach gewesen, morgens gerädert aufgewacht und auch dort nicht wirklich gewusst warum. Klar, es ging ihm nahe, was mit Franz passierte. Er war jetzt so alleine und wurde so schlecht behandelt. Nur warum war diese Nacht jetzt so gut gewesen … es dauerte eine Weile, bis er sich an Bruchstücke aus dem Traum erinnerte – an den Adler, an die Weite der Ebene, an das fast fliegende und leichte Galoppieren, diese Freiheit!

Das Haus war leer, es war trüb draußen und die Mutter war noch im Haus. Er krabbelte aus seinem Körbchen und trabte in die Küche. Die Mutter lächtelte ihm zu: „Na, gut geschlafen. Kleiner?“ Fobby ärgerte sich immer darüber, wenn er als „Kleiner“ oder „Bub“ bezeichnet wurde, er war groß und erwachsen, aber eben kleiner als die Menschen. Immerhin beachtet sie ihn aber noch, nicht so wie alle anderen im Haus. Deswegen war ihm selbst so was mittlerweile noch lieber als komplett missachtet zu werden. Etwas war aber komisch an diesem Tag. Es standen viele Kartons herum. Kartons wie man sie für einen Umzug braucht und wenig später klingelte es und fremde Menschen kamen herein und trugen ein Sofa heraus. Etwas später nochmal, dann wurden Sachen aus den Kinderzimmern raus getragen. Wurde hier was verkauft? Aber warum? Die Familie lebt hier doch und die brauchen diese Möbel doch? … schnell zu seinem Körbchen getrabt sah er, dass es noch da war! Er legte sich schnell rein und setzte eine Blick auf: „Meins! Das bleibt hier und ich auch!“

Er verstand nicht, was hier passierte.

Es vergingen ein paar Tage und es wurde immer merkwürdiger. Die Mutter war gestresst und war immer zu Hause. Sie war die Tage über immer an Schränken und Regale ausräumen und dann ein Teil der Sachen in schwarze Säcke packen, andere in die Kartons. Es wurde leerer in dem Haus. Weitere Möbel wurden immer wieder raus getragen. Den Vater hatte Fobby schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Die Kinder weinten viel und ab und zu wurde er noch zum Knuddeln und ausweinen hergenommen – sonst aber ignoriert. Manchmal musste er echt aufpassen, um nicht von Kartons oder Männerbeinen getroffen zu werden. Eigentlich wollte er immer draußen sein, er hatte aber viel zu viel Angst, dass irgendwann sein Körbchen weg wäre. Meistens blieb er einfach dort beobachtet alles.

Einen Tag traute er sich raus und trabte rüber zur Koppel. Er wollte schauen, ob Josef noch da war. Er war eine Weile nicht dort gewesen und musste es einfach wissen, dass es ihm gut ging. Er näherte sich der Koppel und trabte über die kleine Anhöhe und dann sah er schon Josef, wie er andächtig ins Tal schaute und zwischen durch fraß. Er näherte sich vorsichtig und sagte „Hallo Josef!“. Er dreht sich um und lächelte und freute sich Fobby zu sehen. Die Ruhe dort genoss er, aber ab und zu Besuch von einem lieben anderen Tier zu bekommen, tat gut. „Wie geht es Dir, Fobby?“. Wow, er hatte sich seinen Namen gemerkt – sogar seinen Spitznamen. „Traurig und verwirrt. Und Dir?“ „Gut. Es tut nichts weh, ich habe genug zu fressen und ab und zu Besuch.“ Sein Kopf drehte sich Richtung Tal und er schaute in die Weite. „Warum bist du traurig? Was verwirrt Dich?“ „Bei mir zu Hause findet wohl ein Umzug statt oder so. Möbel werden verkauft, Sachen weggeworfen und Sachen in Kartons verpackt. Mit mir spricht da niemand darüber. Ich weiß nicht, was mit mir passieren wird.“ „Ist das wichtig? Brauchst Du diese Menschen noch? Sie brauchen Dich doch auch nicht mehr.“

„Brauche ich sie? Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich wollte immer gebraucht werden, Aufmerksamkeit bekommen, für jemanden da sein, da sein dürfen, gemocht werden, selber auch mal ein Bedürfnis nach Nähe stillen dürfen, … irgendwie ist das aber jetzt aber nicht mehr so. Es war mal so, in den Anfangsjahren in dem Haus. Das war echt schön. Einfach nur wohlfühlen. Jetzt ist nur noch Kälte da. Auch in der Familie, den Vater habe ich schon lange nicht mehr gesehen, die Kinder ziehen sich je alleine zurück, die Mutter ist genervt und sieht schlecht aus. Die Kinder weinen viel, aber alleine in ihren Zimmer, manchmal tröste ich sie, aber selten. Vielleicht habe sich die Eltern getrennt und der Vater wohnt schon woanders und die Mutter mit den Kindern zieht dann in eine kleinere Wohnung … und ich bin dann irgendwo mittendrin in der Großstadt und in einer kleinen Mietwohnung eingesperrt. … Ich habe Angst! … aber gebraucht werde ich nicht mehr, nein!“

„Weißt Du, Fobby – Menschen, aber auch Tiere, wenn sie in Bedrängnis sind oder ihnen irgendwie der Boden unter den Füßen weggezogen wird, dann denken sie zuerst an sich und schauen in Fast-Panik, dass sie selber überleben. Leider vergessen sie dabei die Lebewesen um sich herum, die vielleicht da wäre für sie, ihnen Hilfe geben könnten, unterstützen können, da sein können. Deiner Familie, die gerade auseinander bricht, geht es ähnlich. Jeder zieht sich zurück, jeder nur auf sich selber bezogen, versucht mit sich selber Trost zu finden. Was natürlich nur bedingt funktioniert. Schau wo Du selber bleibst, denk‘ an Dich und fragte Dich was Du willst? Wen brauchst Du?!“

Fobby und Josef hoben den Kopf und schauten gemeinsam lange in die Ebene. Sie sahen Vögel kreisen und die Wolken vorbei ziehen … sie standen lange dort. Es wurde schon Abend als Fobby zu dem Haus der Familie zurück ging – auf traben hatte er keine Lust. Er wollte dort eigentlich gar nicht mehr hin.