On solitude
Einsamkeit. In der heutigen Zeit ein zweischneidiger Zustand – zum einen gilt man als merkwürdig und seltsam, wenn man nicht eine Mindestanzahl an sozialen Kontakten hat, zum anderen sehnt sich aber jeder nach Ruhe, nach Durchatmen, nach Retreat, nach Ruhe einfach in dieser hektischen Zeit. Wie passt das zusammen?
Recht machen kann man es niemandem und daher gilt eh nur was einem selbst taugt. Wer sich komplett zurückzieht und zum Einsiedler wird – auch in einer Großstadt in eigener Wohnung – der verlernt unter Umständen Einstellungen, die für ein gesellschaftliches Miteinander wichtig sind. Auch verändert sich der Kommunikationsstil zur Ichbezogenheit und es wird nur noch in unzureichendem Maße auf die kommunikativen Bedürfnisse eines Gegenübers eingegangen. Dieser Extremfall ist also keinesfalls zu bevorzugen.
Das andere Extrem ist ein komplettes Verplanen der eigenen Freizeit. Nach der Arbeit wird jede freie Minuten mit Verabredungen, mit Sport, mit Parties, mit Yoga, mit Brunch am Sonntag mit allem möglichen verplant – damit keine ruhigen und wirklich ruhigen zehn Minuten mehr am Tag zu Hause bleiben. Zeit zum Runterkommen, Zeit um Erlebtes zu verarbeiten, Zeit um auch den Körper wirklich mal durchatmen zu lassen.
Ruhe. Stille. Freidrehen. Was ist Ruhe? Ruhe ist wirkliche Ruhe, es läuft also keine Musik im Hintergrund, es läuft kein Fernseher im Hintergrund, es läuft kein Fernseher aktiv schauend, es liegt kein eingeschaltetes Smartphone im gleichen Raum, es wird nicht in einer Zeitung gelesen und auch kein Buch. Der Kopf hat einfach nichts zu tun. Das Kopfkarussell dreht frei und ohne Reize von außen und Gedanken kommen und gehen. In der Meditation werden aufkommende Gedanken häufig verteufelt, Yoga und Meditation werden als Leistungssport betrieben und der Kopf wird auch wieder übergangen. Man wundert sich dann, warum das mit der Meditation nicht funktioniert – warum es eben nicht mit Gewalt funktioniert. Es ist wie mit einem quengeligen Kind – man kann es zu Hause einsperren und maßregeln und zur Ruhe verpflichten oder es raus lassen, es über den Spielplatz toben, sich dreckig machen lassen, mit anderen Kindern Spiele nach eigenen Regeln spielen lassen … und nicht schon wieder alles von außen vorgeben.
Ein konstant eingesperrter Kopf dreht irgendwann durch! Freidrehen ist wichtig! Der Sänger Clueso sagt es so schön im Song „Freidrehen“: „Freidrehen die Dinge nicht benennen, Einfach die Luft anbrennen, kommt lasst, Uns Freidrehen, lass den Gedanken zu, Es gibt nichts zu tun, außer Freidrehen, Wir hab’n die Zeit gezählt, das hat uns so gefehlt, …“ Lasst dem Kopf seine Freiheit! Und dazu gehört es auch, einfach so Laufen zu gehen. Laufen wird gerne als „Ich muss/kann da abschalten!“ genannt. Tatsächlich passiert das aber nur ohne Musik auf Kopfhörern um den Kopf, ohne gleichzeitigem Telefonat, ohne Whatsappen nebenbei und auch nur beim Lauf alleine. Die Monotonie des Laufschrittes, die 160 bis 170 Schritte die Minute sind ein Takt, in der der Körper eine Sicherheit findet, ein Verlaß der da ist und traut sich somit loszulassen. Es kommen Gedanken hoch, die im hektischen oder auch normalen Alltag „runtergedrückt“ wurden und die trotzdem dort sind und vor sich hinarbeiten … Und wieder zu Hause angekommen hat der Kopf später dann auch die Ruhe sich auf eine Meditation einzulassen.
Kopfkarussel. Lasst uns Kopfkarussel fahren!
„Das schöne am Kopfkarussell fahren is, ma kann sich dreh’n bis alles wieder auf Anfang steht“ [Phela – Alles auf Anfang]