Gedanken

On gratitude

Warum soll ich dankbar sein? Für was soll ich dankbar sein? Wem soll ich dankbar sein?

An einem Tag, wo das Wetter mies ist, man in der Arbeit acht Stunden und mehr konstant sitzen soll, Stunden und Nerven man damit verschwendet, damit man einfach nur wieder einen Zustand hat, damit das eigene Programm wieder übersetzbar ist und man komplett an äußeren Gegebenheiten gebunden ist. Man über Stunden keine Befriedigung gespürt hat, weil man in seiner eigenen Arbeit kein Stück weiter kam. Der Kollege gibt dann noch schlaue Kommentare, dass an nicht so frustriert und gereizt auf der Tastatur herum hauen solle und wir ja genau solche Dinge auch auszuhalten als Ingenieure ja gut bezahlt werden und man innerlich einfach nur gerade bei 179,89 °C vor sich hin kocht … warum bitte soll man dann für was bitte dankbar sein? Danach darf man dann durch den Regen 12 km durch den irren Münchner Innenstadtverkehr mit dem Rad zum Training der eigene Trainingsgruppe radeln und sich da dann immer wieder ein Rumgejammere anhören lassen, dass es ja so kalt und so nass sei und man kann ja aus Prinzip nicht die entsprechende Leistung bringen, da man ja nicht im öffentlichen Raum mit Musik auf den Ohren im Training laufen dürfe. Der Vogel zwitschert vor sich hin und verkocht bei 179,95°C und die eigene Gesundheit fragt sich gerade wieder, wie viel Stunden weniger Leben das jetzt produziert.

Warum genau bitte habe ich nicht den Mut, meinen sinnfrei gewordenen Job hinzuschmeißen und mir eine andere Firma zu suchen und warum habe ich meinen Job als Trainer im Verein und für die Trainingsgruppe nicht schon längst hingeschmissen? Nach eigenem Schwimmtraining und wenig Idioten auf der Bahn und etwas Ruhe kommt man langsam runter, die Heimfahrt ist dann ohne Regen durch eine immer leerer werdende Stadt. Zu Hause angekommen wartet der große Rucksack noch darauf ausgepackt zu werden. Danach ist dann aber gut und Feierabend und man kommt weiter runter.

Täglich wartet das Tagebuch und der Laptop will gefüttert werden. Ein Punkt dort ist – neben Essen, tägliche Schritte, welche Bewegung – drei Dinge aufzuschreiben, wofür man an diesem Tag dankbar war? WTF?! Dankbar? Für was soll ich an so einem durchwachsenen Tag bitte dankbar sein? Einziger Punkt wäre, diesen ganzen Mist überlebt zu haben – ohne größeren Sachschaden angerichtet, keine andere Person tätlich oder mit Worten verletzt zu haben und sich selber nicht verletzt zu haben! Etwas anderes fällt einem da nur ganz schwer ein.

In der Tat kommt auch nichts anderes in den Tagebucheintrag rein als diese Wahrheit – ich müsste sonst lügen. Es geht die nächsten Tage einem aber schon im Kopf herum, wie andere Menschen hier an solchen Tagen durchaus in der Lage sind hier ins Tagebuch noch Positives reinschreiben können über ihre gespürte Dankbarkeit. Es wird immer gesagt, Dankbarkeit erdet mehr, Dankbarkeit macht einen glücklicher, Dankbarkeit macht X, Y, und Z. Na gut, man wirft den Browser an und schaut bei Wikipedia, was Dankbarkeit nun bedeutet. Tiefverwurzelt ist sie in den Religionen und dem Glauben, sowohl im Christen- und Judentum, wie auch im Islam. Das Judentum sieht, dass „wenn man aufhört, egoistisch zu sein, wird man offen für andere, man lernt zu schätzen, was sie Gutes tun, und man kann daher dankbar sein.“1 Der Blick rein zu einem selbst und die eigenen Probleme und Sorgen richtete sich als mehr auf andere und u. U. tun diese Menschen einem ja gerade etwas gutes. Man sieht es aber nicht, reagiert gereizt, abwertend und verletzt sie vielleicht sogar. Mindestens aber wird übersehen, dass sie sich eigentlich um einen kümmern wollen – einem etwas wirklich gutes tun wollen.

Die Psychologie hat natürlich das ganze ausführlich untersucht und kommt in Arbeiten zu dem Ergebnis, „dass Menschen, die dankbarer sind, sich subjektiv besser fühlen. Dankbare Menschen sind glücklicher, weniger depressiv, leiden weniger unter Stress und sind zufriedener mit ihrem Leben und ihren sozialen Beziehungen.“1 Es wird also bestätigt und „dankbare Menschen haben auch ihre Umgebung, ihr persönliches Wachstum, ihren Lebenssinn und ihr Selbstwertgefühl besser unter Kontrolle.“1 Hört sich alles schlau an und erklärt nur bedingt warum ich abends immer drei Dinge aufschreiben soll, für die ich an diesem Tag dankbar sein soll. Gerade die noch andauernde Frustration am Abend macht es natürlich schwierig und ein Durchatmen und zunächst etwas anderes zu machen, kann dort helfen. Denn „dankbare Menschen haben auch weniger negative Bewältigungsstrategien, versuchen weniger leicht, das jeweilige Problem zu vermeiden oder weg zu definieren, sie suchen Schuld weniger bei sich selbst.“1 und damit kann ein Loslassen und Durchatmen leichter erfolgen. Ebenfalls kann im zweiten Schritt hinterfragt werden, warum man in bestimmten Situationen eben so reagiert und nicht anders.

Die Wut und Frust im Alltag kosten natürlich Gesundheit und damit jedes Mal ein paar Minuten oder Stunden an Gesamtlebenszeit. Soll man jetzt alle Gefühle unterdrücken und nichts mehr zeigen, alles im Stillen in sich rein arbeiten und stets brav und angepasst sein? Um Gottes Willen nein, dass staut noch mehr auf. Nur unkontrollierte Wutausbrüche sind durchaus zu vermeiden und ein täglichen Aufschreiben am Abend von Dingen, für die man dankbar ist, kann einen nach und nach in kleinen Schritten ruhiger und gelassener machen. „Dankbare Menschen schlafen besser, vermutlich weil sie weniger negative, mehr positive Gedanken vor dem Einschlafen haben.“1 An miesen Tagen kann man es auch auslassen und zunächst den mit guten und mittelguten Tagen beginnen, aber nach und nach arbeitet man sich vorwärts.

Ein Leben macht mehr Spaß, wenn man auch bemerken kann, dass andere Menschen einem u. U. etwas – ehrlich – gutes tun wollen. Schreibt Tagebuch!

Quellen: [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Dankbarkeit