Gedanken

On vulnerability

„Verletzlichkeit ist Schnittstelle von Mut und Angst.“

Verletzlichkeit. Die über sie forschende US-Psychologin Brené Brown bringt sie in Verbindung mit Mut und Angst und sagt weiter: „Sie fühlt sich unangenehmen und beängstigend an, aber sie macht mich menschlich und lebendig.“

Würden wir nicht einen Teil unseres Selbst, einen wichtigen Teil unserer Emotionen ausblenden, wenn wir Angst und Scham verneinen, verdecken, vermeiden wollen würden? Verletzlichkeit zeigen, heißt Angst zugeben, heißt die Scham anzuerkennen, sich ihr zu stellen, sie ernst zu nehmen, aber auch über sie hinweg zu gehen und zeigen, wer wir selbst sind. Es ist ein Spüren, eine Lebendigkeit und die Menschlichkeit, die einem dann bewusst wird und vielleicht auch ein Vertrauen schafft.

Jeder trägt einen Rucksack an Lebenserlebnissen und Lebensüberlebnissen mit sich herum – manchmal ist er nur klein, manchmal ist er sehr groß schwer, ab und zu ist sein Tragesystem sehr schlecht und alt und reißt immer wieder, alles fällt jedes mal raus oder es ist ein neuer, hoch funktionaler, bei dem uns selbst große Lasten nicht stöhnen lassen. Das Leben ist wie eine Wanderung, wir gehen einen Weg, mal geht es bergauf, mal geht es bergab, mal haben wir die allerbeste Aussicht, mal ist dicker Nebel, mal zieht ein Gewitter auf, mal wandern wir alleine, mal gemeinsam, mal haben wir eine Idee vom Weg, mal eine genaue Karte und Kompass oder wir verlaufen uns komplett, mal ist es ein alpiner Klettersteig, der Sicherung erfordert, mal ein Schneefeld, mal eine Eiswand, mal ein Geröllfeld, mal ein Forstweg, mal eine Teerstraße mit lauten LKWs, mal ein Weg durch den einsamen Wald, mal trocken und einfach, mal super feucht mit rutschigen Wurzeln und Matsch, mal haben wir die Steigeisen vergessen, mal die falschen Schuhe an, mal können wir nicht mehr, weil wir uns komplett verschätzt haben, mal sind wir glücklich erschöpft und kehren auf einer Hütte mit lecker Kaiserschmarrn ein, es gibt auch Tage, da brauchen wir die Bergwacht oder einen Bergführer … unseren Rucksack behalten wir aber immer auf. Es gibt Menschen, die versuchen den Inhalt in einem Brunnen zu versenken, aber auch dieser Brunnen ist irgendwann bis oben voll oder der Wasserspiegel steigt an und es kommt alles mit hoch. Zudem kann derjenige sich auch nicht mehr weit von diesem Brunnen entfernen, denn jemand anderes konnte ja seine Dinge finden. Wir bleiben also fest an einem Platz und nehmen uns die Möglichkeit – auch mit einem schweren Rucksack – noch einen kleinen Pfad zu wandern und weitere Dinge, Aussichten, Wälder, Tiere, Gerüche, Geräusche und sich selbst zu entdecken.

Mut ist den Rucksack auszupacken. Angst ist es nicht gemeinsam machen zu wollen. Scham ist die Angst dadurch zurückgewiesen zu werden. Verletzlichkeit ist, dich zu zeigen und den Rucksack gemeinsam auszupacken … und vielleicht eine Last aufteilen … für einen weiteren Weg?