Geschichten

Bobby-Luisa und es geht weiter

Es war eine erste Rast gewesen auf der Lichtung. Sie hatten getrunken und Josef hatte genug Gras und ein paar Früchte gefressen. Sie waren wieder gestärkt. Bis zum Abend hätten sie noch eine Strecke vor sich, sagte Josef. Auf der anderen Seite der Lichtung gingen sie wieder in den Wald hinein, hier war wieder ein Pfad. Wieder war Josef manchmal einfach zu breit und zu hoch und ein paar kleine Äste knackten weg, aber sie waren ja nicht auf der Flucht und keine Fährtenleser hinter ihnen her. Wenn der Weg gut zu erkennen war, fetzte Fobby auch mal nach vorne und ging stolz vor Josef her. Er schaute rechts, mal links, mal bliebt er auch stehen und schaute sich ein ihm unbekannte Blume, Pflanze oder Pilz genauer an. Dann war Josef vorbei und er fiel kurz in den Tölt, um wieder ran zukommen. Josef schwieg wieder und hatte seinen Wanderschritt drauf und sie gingen so eine ganze Weile durch den Wald.

Ab und zu kam eine kleine Lichtung, dann wurde es wieder dichter. Manchmal kam ein kleiner Bach, Josef schritt einfach durch, Fobby musste immer schauen. Entweder wartete er, nahm Anlauf und sprang dann rüber oder er watet auch durch. Schwimmen wollte er nicht müssen, er würde da wahrscheinlich abgetrieben werden. Ein Bach war sehr tief. Das Wasser stand Josef bis zu den Knien und die Strömung war stärker. Er musste beim Durchwaten auch etwas schauen, wo er die Schritte hinsetzte. Da hatten sie vorher einen großen Stein gesucht, wo Fobby von hinten drauf sprang und dann auf seinen Rücken stand, mit dem Maul in seinem Schweif hielt er sich fest. Stolz wie Oscar stand das kleine Einhorn auf dem großen Pferd und sie schritten durch den Bach. Er hatte die Aussicht des Lebens. Nach dem Bach lag seitlich ein großer Baumstamm und Fobby sprang wieder runter.

Müde wurde er. Für ein kleines Einhorn ist das ganze durchaus anstrengender, als für so ein großes Pferd. Seine Beine waren schließlich viel kürzer. Gerne wäre er länger auf dem Rücken von Josef geblieben und hatte da oben etwas geschlafen. Nur war dort nur wenig Halt auf dem kurzen Fell von ihm, sie bräuchten einen Sattel oder so. Und dann, und dann, und dann, dann hätten sie sein Körbchen da oben drauf gebunden und er hätte die ganze Zeit schlafen können. Hehe!

Das wäre aber auch irgendwie langweilig gewesen, schließlich gab es rechts und links am Weg immer so viel zu schauen und spannendes zu finden. Er fetzte wieder nach vorn … und überschlug sich halb. Fobby hatte gerade beschleunigt als er eine Wurzel im Weg übersah, blieb mit vorderem Huf hängen, es zog ihn halb zur Seite und über die flog er halb seitlich ins Gebüsch. Zum Glück passierte das ganze nicht frontal, so dass er nicht mit der Schnautze aufschlug. Josef schaute irritiert neben sich, schaute und schupste dann mit seinem Maul das sich gerade wieder aufrappelte Einhorn auf den Weg. „Was machst du da?“ fragte er.

Fobby schüttelte sich einmal, schaute an sich herunter, prüfte alle Knochen und Gelenke und gab dann kleinlaut und beschämt guckend zu: „Irgendwie habe ich wohl eine Wurzel übersehen …“ „Das glaube ich auch. Alles in Ordnung? Tut was weh?“ „Die rechte Schulter etwas, aber sonst nichts. Weich gelandet!“ Er grinste verschmitzt. „Gut. Ab jetzt dann langsam, noch eine halbe Stunde, dann dürften wir da sein.“ entgegnete Josef und ging wieder los.

„Wohin gehen wir überhaupt?“ Josef reagierte zunächst nicht, erklärte es ihm dann aber: „Weißt Du, es gab auch mal ein Leben von mir woanders, auf einer anderen Koppel, auf einem anderen Hof. Dort bin ich als Pfohlen aufgewachsen und als ich groß und kräftig genug war, wurde ich verkauft. Der alte Bauer kaufte mich und auf seiner Koppel bin ich ja bis heute.“ „Leben deine Eltern noch?“ „Das nehme ich nicht an. Ich habe sie seit dem Tag auch nicht mehr gesehen. Der Bauer besaß keinen Pferdetransporter, er wurde von seiner Frau gebracht, ich wurde inspiziert, ins Maul geschaut, usw. dann wurde verhandelt und mit Handschlag wurden Geldscheine abgezählt. Dann nach er mich am Riemen und wir gingen in den Wald und marschierten einen kompletten Tag durch. Seine Frau fuhr wohl mit dem Auto dann zurück. Meine Eltern waren eh auf anderen Koppeln auf dem Gestüt, aber man sah sich ab und zu noch. Das war schön. Zunächst wusste ich nicht, was vor sich ging und ehe ich mich versah, wurde ich schon weggeführt. Der alte Besitzer gab mir noch einen Klaps auf den Hintern und meinte „Servus Josef, mach’s gut!“ Ich konnte mich noch kurz umschauen und sah zumindest noch einen Augenblick meinen Vater. Er hatte das ganze Spiel beobachtet und wieherte einmal und hob als Gruß den Kopf … dann habe ich ihn nie wieder gesehen. Meine Mutter eh nicht mehr.“

Fobby ging schräg vor Josef und ihm standen die Tränen in den Augen. „Und da gehen wir jetzt hin … und Du kannst dich nach so vielen Jahren noch komplett an den weg erinnern?“ Josef lachte – etwas traurig: „Ja, das kann ich. Pferde sind Dickschädel, die können sich genau wie Elefanten an so einiges erinnern … und es war ein einschneidendes und trauriges Erlebnis. Der Bauer ging strammen Schrittes vor mir und hat es noch gesehen, aber ich habe immer wieder geweint, leicht.“ Den Rest des Weges gingen sie schweigend und fühlten sich aber trotzdem nah. Es wurde langsam dunkel.